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Podcast: „Islamisten auf Menschenfang – Radikalisierung im Internet“ (hr INFO)

Islamistische Akteur*innen nutzen soziale Medien gezielt, um Jugendliche anzusprechen: mit Lifestyle-Elementen, Angstpädagogik und dem Versprechen von Zugehörigkeit. Plattformen wie TikTok spielen dabei eine zentrale Rolle.

Der Podcast von hr INFO – Das Thema beleuchtet diese Strategien – und zeigt anhand des Falls „Adrian“, wie schnell digitale Rekrutierung wirken kann.

Mit dabei ist auch unsere Projektleiterin Claudia Dantschke (Grüner Vogel e.V.), die aus der Beratungsarbeit berichtet: wie Radikalisierungsmuster erkennbar werden, welche Mechanismen im Hintergrund wirken – und wie Prävention und Ausstieg gegensteuern können.

Ein Fazit: „Auch wenn der IS Geschichte ist – die Ideologie ist es nicht.“
Jetzt reinhören!

Mehr zum Thema Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen finden Sie in unserer Fachtagspublikation sowie in unserem Podcast.

Deradikalisierung im Fokus: Vortrag des Grünen Vogel an der Hochschule der Polizei Brandenburg

Am 10. September 2025 gestaltete der Grüner Vogel e.V. eine Lehreinheit an der Hochschule der Polizei Brandenburg. Im Mittelpunkt stand die Arbeit im Bereich Deradikalisierung und Ausstiegsbegleitung. Die Veranstaltung richtete sich an Studierende des Masterstudiengang.

Deradikalisierung im Fokus: Vortrag des Grünen Vogel an der Hochschule der Polizei Brandenburg

Radikalisierung hat immer eine Geschichte

In der Lehreinheit wurde verdeutlicht, dass Radikalisierung selten allein durch Ideologie ausgelöst wird. Häufig spielen biografische Faktoren eine entscheidende Rolle: persönliche Krisen, Erfahrungen von Ausgrenzung, Identitätsfragen oder das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Extremistische Gruppierungen nutzen diese Situationen gezielt aus, indem sie vermeintlich klare Orientierung, Zugehörigkeit und einfache Erklärungen anbieten.

Der lange Weg raus – Herausforderungen im Ausstieg

Auch die Begleitung von Ausstiegen und die damit verbundenen, individuellen Herausforderungen wurden thematisiert. Deutlich wurde: Der Weg aus extremistischen Szenen ist selten linear. Rückfälle, Zweifel und erneute Kontaktaufnahmen zur Szene gehören ebenso dazu wie Fortschritte und positive Wendepunkte. Entscheidend sind dabei Vertrauen, ein stabiles soziales Umfeld und die Entwicklung neuer Perspektiven – sei es im Bereich Ausbildung, Arbeit oder durch psychosoziale Unterstützung.

Radikalisierung ist auch ein Spiegel gesellschaftlicher Krisen

Die Diskussion machte auch deutlich, dass Radikalisierung nicht isoliert betrachtet werden kann. Sie steht immer im Kontext gesellschaftlicher Spannungen: Polarisierung, das Erstarken populistischer Diskurse, das Aufkommen neuer Krisen (z. B. durch Pandemie oder internationale Konflikte) und die Rolle sozialer Medien prägen den Rahmen, in dem Jugendliche und Erwachsene auf extreme Angebote stoßen.

Die Beratungsarbeit bewegt sich daher stets im Spannungsfeld zwischen individuellen Biografien und gesamtgesellschaftlichen Dynamiken. Sie trägt dazu bei, konkrete Wege aus extremistischen Szenen aufzuzeigen – und gleichzeitig die Gesellschaft als Ganzes resilienter gegenüber extremistischer Ideologie zu machen.

Präventionslandschaft in Deutschland

Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über eine gut ausgebaute Präventionslandschaft. Insbesondere die tertiäre Prävention – also die Arbeit mit Menschen, die bereits radikalisiert sind oder Teil extremistischer Gruppierungen waren – gilt als international anerkannt. Gleichwohl bestehen Herausforderungen: Schulen und Jugendämter sind häufig überlastet, während zivilgesellschaftliche Träger regelmäßig mit unsicheren Finanzierungsbedingungen konfrontiert sind.

Neue Trends erfordern neue Antworten

Besonders hervorgehoben wurden aktuelle Trends:

Vertrauen schaffen, Perspektiven eröffnen

Der Grüner Vogel e.V. stellte in diesem Kontext seine Arbeit in der Beratungsstelle Leben vor. Diese begleitet bundesweit Menschen, die aus extremistischen Strukturen aussteigen oder Distanzierungsschritte gehen wollen – ebenso wie deren Angehörige. Die Arbeit ist vertraulich, kultursensibel, ressourcenorientiert und erfolgt in enger Kooperation mit Jugendhilfe, Justiz, Sicherheitsbehörden und weiteren Fachstellen.

Ein besonderes Anliegen ist es, Brücken zwischen staatlichen Strukturen und Zivilgesellschaft zu schlagen. Unterschiedliche Arbeitslogiken – etwa die Ermittlungs- und Eingriffslogik der Polizei und die Beziehungs- und Unterstützungslogik der Beratung – können sich sinnvoll ergänzen, wenn gegenseitiges Verständnis vorhanden ist.

Dabei steht für uns stets im Vordergrund: die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit zivilgesellschaftlicher Angebote. Nur so kann Beratung glaubwürdig, vertrauensvoll und wirksam arbeiten – im Interesse der Betroffenen und zugleich im Sinne gesamtgesellschaftlicher Sicherheit.

Deradikalisierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die Lehreinheit an der Hochschule der Polizei Brandenburg verdeutlichte, wie wichtig es ist, diese unterschiedlichen Perspektiven miteinander zu verbinden. Prävention kann nur dann nachhaltig wirken, wenn sie individuelle Biografien, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und sicherheitspolitische Anforderungen zusammendenkt.

Die Diskussion mit den Studierenden zeigte großes Interesse an diesen Fragestellungen – und machte zugleich deutlich, dass Deradikalisierung und Ausstieg nicht nur Themen einzelner Beratungsstellen sind, sondern Aufgaben, die unsere gesamte Gesellschaft betreffen.

Islamistisches Influencing

Jetzt online: Neue Publikation über islamistisches Influencing in Band 17 der Reihe „Wissen schafft Demokratie“

Der aktuelle Band der IDZ-Schriftenreihe „Wissen schafft Demokratie“ (17/2025) trägt den Titel „Uncivil Society – ‚Schattenseiten‘ der Zivilgesellschaft“ und beleuchtet ein breites Spektrum an Bedrohungen, Widersprüchen und Herausforderungen, mit denen zivilgesellschaftliche Akteur*innen heute konfrontiert sind. Zugleich stellt die Publikation Gegenstrategien und praxisorientierte Ansätze vor.

Mit einem Beitrag vertreten sind auch unsere Kolleginnen Franziska Frosch und Kaan Orhon. In ihrem Artikel analysieren sie das Phänomen des islamistischen Influencings und zeigen auf, wie extremistische Akteurinnen digitale Plattformen nutzen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Der Beitrag beschäftigt sich mit zentralen Fragen:

  • Wie agieren sogenannte Islam-Fluencer*innen?
  • Welche Narrative und Formate werden verwendet?
  • Wie wirken sich rechtspopulistische Diskurse auf die Anschlussfähigkeit islamistischer Inhalte aus?

Anhand eines konkreten Fallbeispiels aus der Beratungsarbeit wird deutlich, wie diese Inhalte auf Jugendliche wirken können – und welche Herausforderungen sich für Prävention und Intervention daraus ergeben.

Frosch, Franziska / Orhon, Kaan (2025). Wie Islam-Fluencerinnen in den sozialen Medien gesellschaftliche Spannungen instrumentalisieren. In: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Hg.): Wissen schafft Demokratie, Band 17, S. 122–133. Download

Wir danken dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft für die Veröffentlichung und empfehlen den Band als fundierte Lektüre für alle, die sich mit aktuellen Entwicklungen in der Präventionsarbeit und im zivilgesellschaftlichen Engagement auseinandersetzen möchten.

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